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Das Licht schafft für mich die Atmosphäre und ich arbeite mit sehr wenig Licht.
Biografie
Geboren 1940 in Hannover. Verheiratet seit 1978 mit Gunda Jürges.
Nach dem Besuch des Gymnasiums in Bremen studiert er von 1959 bis 1961 in Berlin Fotografie.1961 macht Jürgen Jürges den Abschluss zum Fotografen und arbeitet 1962-1963 als Volontär bei der Firma „modern art film“ in Berlin. Es folgen Kameraassistenzen bei Ernst Wild, Wolf Wirth, Franz Rath u.a. sowie ab 1967 eigenständige Arbeit an bis heute über 100 Filmen (einschließlich TV-Filmen und Kurzfilmen).
In seiner Arbeit als Kameramann begleiten ihn langjährige Beziehungen zu Regisseuren wie Rainer Werner Fassbinder, Robert van Ackeren, Norbert Kückelmann, Wim Wenders oder Michael Haneke, für die er wiederholt die Bildgestaltung übernimmt. Gleichzeitig dreht er aber auch oft mit Debütanten und Filme mit kleinerem Budget. Die Projekte ähneln sich nicht unbedingt in der ästhetischen Ausrichtung oder dem Genre, Jürges entscheidet sich in erster Linie anhand des Erzählstoffs für einen Film.
In den 1970ern fotografiert er einige wichtige Werke des Neuen Deutschen Films, darunter Rainer Werner Fassbinders Fontane Effi Briest (1972-74) und Angst essen Seele auf (1974) sowie Norbert Kückelmanns Die Angst ist ein zweiter Schatten (1975) und Die letzten Jahre der Kindheit (1979).
In den 1980er Jahren steht er bei Publikumserfolgen wie Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo (Uli Edel, 1981), Die flambierte Frau (Robert van Ackeren, 1983) und Flussfahrt mit Huhn (Arend Agthe, 1985) hinter der Kamera. Außerdem erhält er zweimal den deutschen Kamerapreis – 1986 für Die Wupper(Jürgen Flimm) und 1988 für Eisenerde Kupferhimmel (Zülfü Livaneli, Yasar Kemal) – sowie den Bundesfilmpreis 1980 für Die Kinder aus Nr. 67 (Ursula Bartelmess, Werner Meyer) und Die letzten Jahre der Kindheit (Norbert Kückelmann, 1979). Weitere Auszeichnungen folgen; so wird er 1994 für Wim Wenders‘ In weiter Ferne, so nah! (1993) das zweite Mal mit den deutschen Filmpreis geehrt. Neben Wenders entwirft er auch die Bilder für einen weiteren gefeierten europäischen Filmautoren: Mit Michael Haneke entstehen die kontroversen und visuell kontrollierten Funny Games (1997), Code inconnu(2000, Code – unbekannt) und Le temps du loup (2003, WOlfszeit). Für den minimalistisch in schwarzweiß gedrehten Wege in die Nacht (Andreas Kleinert, 1999), erhält er den Deutschen Filmpreis in Gold (2000).
Seine Kariere bleibt mit einer Reihe von Projekten im In- und Ausland vielseitig. Kleinere Projekte wie Hochschul-Abschlussfilm Vier Fenster (Christian-Moris-Müller, 2005) stehen neben dem aufwändigen Historienfilm John Rabe (Florian Gallenberger, 2007) und dem Heimatfilm Nimm dir dein leben (Sabine Michel, 2005). In den letzten Jahren hat er über Jahre hinweg die Dreharbeiten für das legendenumwobene Projekt Dau (Ilya Khrzhanovskiy, 2008ff.) an der Kamera begleitet. Zur Zeit läuft in den deutschen Kinos noch Ich und Kaminski (Wolfgang Becker, 2015), während weitere Projekte abgedreht und in der Vorbereitung sind.
Filmografie
2019 Dau
Regie: Ilya Khrzhanovskiy
2018 Das Milan-Protokoll
Regie: Peter Ott
2016 Auf Augenhöhe
Regie: Joachim Dollhopf, Evi Goldbrunner
2015 Ich und Kaminski
Regie: Wolfgang Becker
2013 Im Spinnwebhaus
Regie: Mara Eibl-Eibesfeldt
2013 Die Abmachung
Regie: Peter Bösenberg
Co-Kamera mit Reinhold Vorschneider
2009-2012 Dau
Regie: Ilya Khrzhanovsky
2008 Deutschland 09 (Episode „Krankes Haus)“
Regie: Wolfgang Becker
2007 Geliebte Clara
Regie: Helma Sanders-Brahms
2007 John Rabe
Regie: Florian Gallenberger
2007 Ohne einander
Regie: Diethard Klante
2007 Rotes Holz (Kurzfilm)
Regie: Agnes Karow
2006 Eduart
Regie: Angeliki Antoniou
2006 Maries Lacheln (Kurzfilm)
Regie: Michael Schäfer
2006 Vier Fenster
Regie: Christian Moris Müller
2005 Nimm dir dein Leben
Regie: Sabine Michel
2005 Vom Suchen und Finden der Liebe
Regie: Helmut Dietl
2004 Schatten der Zeit
Regie: Florian Gallenberger
2004 Andiamo! (Dokumentarfilm)
Regie: Thomas Crecelius
2004 Schwestern (Kurzfilm)
Regie: Mirjam Kubescha
2004 Der Schwimmer (Kurzfilm)
Regie: Klaus Hüttmann
2004 Hurensohn
Regie: Michael Sturminger
2003 Le temps du loup / Wolfzeit
Regie: Michael Haneke
2002 Ghettokids
Regie: Christian Wagner
2001 O da beni seviyor / Sommerliebe
Regie: Baris Pirhasan
2001 Malunde
Regie: Stefanie Sycholt
2000 Ternitz, Tenessee
Regie: Mirjam Unger
2000 Code inconnu / Code: Unbekannt
Regie: Michael Haneke
2000 Quiero ser – Gestohlene Traume
Regie: Florian Gallenberger
1999 Der Schrei des Schmetterlings (TV)
Regie: Frank Strecker
1999 Wege in die Nacht
Regie: Andreas Kleinert
1998 Zita – Geschichten uber Todsunden (Kurzfilm)
Regie: Christian Wagner
1998 Yara / Seelenschmerz
Regie: Yilmaz Arslan
1997 Sawdust Tales
Regie: Baris Pirhasan
1997 Avci / Der Jager
Regie: Erden Kiral
1997 Funny Games
Regie: Michael Haneke
1997 Sin Querer – Zeit der Flamingos
Regie: Ciro Capellari
1996 Alle haben geschwiegen (TV)
Regie: Norbert Kückelmann
1996 Mossane
Regie: Safi Faye
1995 Das zehnte Jahr
Regie: Käthe Kratz
1995 Die Gebruder Skladanowsky
Regie: Wim Wenders
1995 Ask Olumden Sogoktur
Regie: Canan Gerede
1993 Das letzte Siegel
Regie: Stefan Dähnert
1993 In weiter Ferne, so nah! / Far away, so close
Regie: Wim Wenders
1993 Arisha, der Bar und der steinerne Ring (Kurzfilm)
Regie: Wim Wenders
1992 Die ungewisse Lage des Paradieses
Regie: Franziska Buch
1992 Abgetrieben
Regie: Norbert Kückelmann
1992 Die wahre Geschichte von Mannern und Frauen
Regie: Robert van Ackeren
1992 Robert’s Movie
Regie:Canan Gerede
1990 Das Geheimnis des gelben Geparden (TV)
Regie: Carlo Rola
1989 Die Tanzerin
Regie: Masahiro Shinoda
1989 Schatten der Wuste
Regie: Jürgen Bretzinger
1988 Der Sommer des Falken
Regie: Arend Agthe
1988 Die Venusfalle
Regie: Robert van Ackeren
1988 Sis – der Nebel
Regie: Zülfü Livaneli
1987 Dann ist nichts mehr wie vorher
Regie: Gerd Roman Frosch
1987 Eisenerde Kupferhimmel
Regie: Zülfü Livaneli, Yasar Kemal
1987 Schimanski – Zahn um Zahn
Regie: Hajo Gies
1986 Der Flieger
Regie: Erwin Keusch
1986 Das Missverstandnis (Kurzfilm)
Regie: Carlo Rola
1985 Die Kautschukdame
Regie: Brigitte Toni Lerch
1985 Die Wupper (TV)
Regie: Jürgen Flimm
1985 Die Todesspringer
Regie: Benno Trautmann
1984 Die Schwarmer
Regie: Hans Neuenfels
1984 Die Flusfahrt mit Huhn
Regie: Arend Agthe
1984 Morgen in Alabama
Regie: Norbert Kückelmann
1983 White Star
Regie: Roland Klick
1983 Die flambierte Frau
Regie: Robert van Ackeren
1983 Eisenhans
Regie: Tankred Dorst
1982 Berliner Stadtbahnbilder
Regie: Alfred Behrens
1982 Kraftprobe (TV)
Regie: Heidi Genèe
1981 Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo
Regie: Uli Edel
1980 Mosch (TV)
Regie: Tankred Dorst
1980 Die Kinder aus Nr. 67
Regie: Ursula Bartelmess, Werner Meyer
1980 Deutschland bleiche Mutter
Regie: Helma Sanders-Brahms
1979 Die letzten Jahre der Kindheit
Regie: Norbert Kückelmann
1979 Zwei Frauen in der Oper
Regie: Christian Veit-Attendorff
1979 Schluchtenflitzer
Regie: Rüdiger Nüchtern
1979 Lauter anstandige Menschen (TV)
Regie: Diethard Klante
1978 Das andere Lacheln
Regie: Robert van Ackeren
1977 Halbe Halbe
Regie: Uwe Brandner
1977 Grete Minde
Regie: Heidi Genée
1977 Eierdiebe
Regie: Michael Fengler
1976 Satansbraten
Regie: Rainer Werner Fassbinder
1976 Paule Paulander
Regie: Reinhard Hauff
1975 Die Angst ist ein zweiter Schatten
Regie: Norbert Kückelmann
1975 Angst vor der Angst (TV)
Regie: Rainer Werner Fassbinder
1975 John Gluckstadt
Regie: Ulf Miehe
1974 Output
Regie: Michael Fengler
1972-74 Fontane Effi Briest
Regie: Rainer Werner Fassbinder
1974 Eine Nacht in Venedig
Regie: Václav Kaslík
1974 Angst essen Seele auf
Regie: Rainer Werner Fassbinder
1973 Die Zartlichkeit der Wolfe
Regie: Ulli Lommel
1973 Paganini (TV)
Regie: Eugen York
1972 Der Graf von Luxemburg
Regie: Wolfgang Glück
1971 Die Zelle
Regie: Horst Bienek
1971 Blondie’s Number One
Regie: Robert van Ackeren
1971 Fusball wie noch nie (Experimentalfilm)
Regie: Hellmuth Costard
Co-Kamera
Sonstiges:
2000 Die toten Hosen- Warum werde ich nicht satt?
Regie: Wim Wenders
Musikclip
1992 U2 – Stay
Regie: Wim Wenders
Musikclip
Auszeichnungen
John Rabe
Nominierung Deutscher Kamerapreis (2009)
Schatten der Zeit
Bayerischer Filmpreis (2004)
Wege in die Nacht
Adolf-Grimme Preis (2001)
Deutscher Filmpreis in Gold (2000)
Yara / Seelenschmerz
Kamerapreis Alexandria (1999)
Sawdust Tales
Siyad Award für „Beste Kamera“, Istanbul (1999)
„Beste Kamera“ Filmfestival Ankara (1998)
Der Jager (Avci)
Siyad Award (Award for Best Camera), Istanbul (1999)
„Best Cinematography“ Filmfestival Ankara (1998)
Sin Querer – Zeit der Flamingos
Deutscher Kamerapreis (1998)
In weiter Ferne, so nah! / Far away, so close
Preis der Filmhochschule Lodz (1994)
Bundesfilmpreis (1994)
Die Venusfalle
Bayerischer Filmpreis (1988)
Eisenerde Kupferhimmel
Deutscher Kamerapreis (1988)
Die Wupper
Deutscher Kamerapreis (1986)
Die Kinder aus Nr. 67
Bundesfilmpreis (1980)
Die letzten Jahre der Kindheit
Bundesfilmpreis (Filmband in Gold ) (1980)
Deutscher Kamerapreis:
Ernennung zum Ehrenkameramann (2002)
Jurybegründung
Wie kaum ein anderer Kameramann hat Jürgen Jürges den deutschen Film seit den frühen 1970er Jahren geprägt. Er hat für Rainer Werner Fassbinder die subtil distanzierten, realistisch verdichteten Bilder in Angst essen Seele auf (1974) und Fontane Effi Briest (1974) gestaltet und zuletzt Wolfgang Beckers Kunstbetriebs-Satire Ich und Kaminski (2015) visuell anspielungsreich umgesetzt. Dazwischen liegen über 40 Jahre und etwa 100 Filme, die stilistisch sehr unterschiedlich, von einem Willen zur Erforschung neuer Bildlichkeiten geprägt sind. In den 1980er Jahren hat er eine Reihe von Publikumserfolgen, darunter Die flambierte Frau (1983, Robert van Ackeren), Flussfahrt mit Huhn (1984, Arend Agthe) und Die Venusfalle (1988, Robert van Ackeren) fotografiert; seit den 90er Jahren hat er seinen Aktionsradius erweitert und in Patagonien und der Türkei, in Frankreich und Indien gedreht. Im Verlauf seiner Karriere hat Jürges mit so unterschiedlichen Regiepersönlichkeiten wie Wim Wenders (In weiter Ferne, so nah!, 1993) und Ulli Edel (Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo, 1981), mit Roland Klick (White Star, 1983) und Tankred Dorst (Eisenhans, 1983) gearbeitet. Dabei sind Thriller, Kinderfilme, Historiendramen, Komödien, Literaturverfilmungen und Melodramen entstanden, die visuell stets einen Überschuss bieten und in Erinnerung bleiben, ohne sich als bildästhetische Schaustücke zu exponieren.
Ob er in dreizehn Tagen mit Fassbinder Angst essen Seele auf abdreht oder mehrere Jahre an Ilya Khrzhanovskys legendenumwobenen Dau (seit 2008, noch nicht abgeschlossen) arbeitet, Jürges legt immer die gleiche Genauigkeit an den Tag und interessiert sich vor allem für den jeweiligen Stoff und seine adäquate visuelle Umsetzung. Insofern ist es nur folgerichtig, dass sich in seinem Oeuvre sowohl Abschlussfilme von Hochschulen (Vier Fenster, Christian Moris Müller, 2006) wie aufwändige internationale Historienfilme (John Rabe, Florian Gallenberger, 2009) finden. Dieser Ruf als einer der innovativsten und handwerklich perfektesten Kameramänner Europas, der sich eigenständig und kollaborativ zugleich auf den vorgegebenen Stoff einlässt, ist längst auch über die Landesgrenzen hinaus gedrungen. So hat er drei Filme mit Michael Haneke gedreht, die alle trotz der strengen visuellen Grundkonzeption immer wieder überraschende Details bieten (Funny Games, 1996; Code unbekannt / Code inconnu, 1999; Wolfszeit / Le temps du loup, 2000).
Jürgen Jürges‘ Grundhaltung ist stets experimentell-forschend. Seine Auflösungen und Ausleuchtungen geben sich nie mit dem Naheliegenden und Formelhaften zufrieden, sondern suchen nach einem bildgestalterischen Mehrwert, der dem Inhalt des jeweiligen Films gemäß ist. Dabei gibt es aber keine Signatur, die auf Jürges verweist, sondern er begibt sich gemeinsam mit Regie, Darstellern und weiteren Filmschaffenden auf eine Expedition, um den adäquaten Ausdruck für eine Geschichte, ein Milieu oder ein Ereignis zu suchen. Legendär ist dabei seine bilderforschende Neugier, mit der er ausgetretene Pfade verlässt und sich auf unbekanntes Gebiet vorwagt.
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