2005: Walter Lassally

Walter Lassally

Preisträger des Jahres 2005

Meine Arbeit besteht darin, die nötige Atmosphäre zu schaffen, damit eine erzählte Geschichte gut beim Publikum ankommt.

Walter Lassally

Walter Lassally ist am 18.12.1926 in Berlin geboren. Dort betrieb sein Vater eine kleine Firma, die sich auf die Herstellung von Industriefilmen spezialisiert hatte. Seine deutsche Kindheit endete plötzlich, als er 1939 im Alter von dreizehn Jahren mit seiner Familie vor den Nazis nach England fliehen musste. Bereits vor dem Ende seiner Schullaufbahn fasste er den festen Entschluss, Kameramann zu werden und war seit 1943 als Kameraassistent bei einer kleinen, unbekannten Produktionsgesellschaft beschäftigt, die Industriefilme herstellte. Zeitgleich arbeitete er auch als zweiter Kameraassistent in Spielfilmproduktionen in den Londoner Riverside-Studios.

1951 drehte Lassally seinen ersten Film als Chefkameramann. Er konzentriert sich zunächst auf dokumentarische Kurzfilme und arbeitete schon früh mit Lindsay Anderson, einem der entscheidenden Regisseure der Free Cinema-Bewegung zusammen. Thursday’s Children (1953) und Everyday Day Except Christmas (1956) wurden stark beachtet. Diese intensiven Erfahrungen im dokumentarischen Genre waren die Voraussetzung, dass Walter Lassally zu einem der Mitbegründer und herausragenden Vertreter der Free Cinema-Bewegung wurde, die sich um 1960 herausbildete. Diese Bewegung forderte eine Erneuerung des englischen Kinos durch aktuelle und realistische Stoffe und wollte sich mit ihren eigenen Inszenierungen vom kommerziellen amerikanischen Kino absetzen. Durch weitgehenden Verzicht auf künstliches Licht, dem intensiven Einsatz der Handkamera und der Verwendung unterschiedlicher Filmmaterialien innerhalb eines Films gelang Lassally dabei eine ganz neue Form des filmischen Realismus. Lassally drehte zwei der wichtigsten Filme der Free Cinema-Bewegung überhaupt: A Taste of Honey (Bitterer Honig; 1961) und The Loneliness of the Long Distance Runner (Die Einsamkeit des Langstreckenläufers; 1962), beide unter der Regie von Tony Richardson. Die Kritik hob immer wieder den dokumentarischen Stil und die Lebendigkeit dieser Filme hervor.

Von Anfang an war Walter Lassally ein Kameramann, der international ausgerichtet war. Bereits 1955 begann eine lang andauernde, produktive Zusammenarbeit mit dem griechischen Regisseur Michael Cacoyannis, die dann bei dem Film Zorba the Greek (Alexis Sorbas; 1964) einen Höhepunkt erfuhr. Schon in den 1950er Jahren drehte Lassally außerdem in Marokko und Pakistan.

Nach dem weltweiten Erfolg des opulenten Historienfilms Tom Jones (Regie: Tony Richardson) war Walter Lassally zu einem international renommierten Kameramann geworden. Dennoch sei die Auszeichnung mit dem Oscar für Zorba the Greek, so bekannte Walter Lassally, für ihn völlig überraschend gewesen. Nie und nimmer habe er mit dem Gewinn dieses Preises gerechnet. Was für andere Kameraleute einen Gipfelpunkt der Karriere bedeutet, darüber spricht er eher beiläufig – eine Bescheidenheit, die jedoch der eigenen Leistung nicht gerecht wird. Zorba the Greek ist vor allem visuell ein großartiger Film, zeichnet sich durch eine faszinierende Vielfalt von Lichtstimmungen und Stilebenen aus.

Der Gewinn des Oscars brachte Lassally einige lukrative Angebote aus Hollywood ein, die er jedoch ausschlug. Statt der großformatigen Produktionen mit ihrem Zwang zur Konventionalität bevorzugte er auch weiterhin die «kleinen» Filme und die Zusammenarbeit mit Regisseuren, die sich als «Autor» definierten und die seinen cineastischen Enthusiasmus teilten.

In den 1970er Jahren begann mit der äußerst erfolgreichen Kooperation mit dem amerikanischen Regisseur James Ivory, einem Spezialisten für eindringliche Literaturverfilmungen, eine neue Periode in der Laufbahn Walter Lassallys. Hier stellte er unter Beweis, dass er auch die großformatigen Produktionen und die gigantischen Ausstattungsfilme beherrscht, ohne dabei seine künstlerischen Ambitionen aufzugeben. Er entwickelte eine Meisterschaft, längst versunkene Welten in bezwingenden Bildern zu vergegenwärtigen. Heat and Dust (Hitze und Staub) aus dem Jahre 1983 (mit Greta Scacchi und Julie Christie in den Hauptrollen) konfrontiert die koloniale Vergangenheit Indiens mit der unmittelbaren Gegenwart. The Bostonians (Die Damen aus Boston; 1984) zeichnet subtil und facettenreich das Bild der amerikanischen Gesellschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Christopher Reeve, Vanessa Redgrave und Madeleine Potter spielen hier die Hauptrollen. Die Bildsinnlichkeit dieser Filme ist außerordentlich.

Zwischen 1975 und 1980 arbeitete Walter Lassally in der Bundesrepublik Deutschland. In der eher betulich wirkenden Böll-Verfilmung Ansichten eines Clowns (1975; Regie: Voytech Jasny, mit Helmut Griem und Hanna Schygulla) gibt es einige aufregende und verstörende Momente, die Walter Lassallys Kameraarbeit geschuldet sind. In diesen Jahren stellte er seine reiche Bilderfahrung jungen Regisseuren wie Hans Noever und Thomas Brasch zur Verfügung. Deren Filme gewinnnen dadurch eine ganz eigene Ausdrucksdimension. Die Frau gegenüber (1977; Regie: Hans Noever) und Engel aus Eisen (1980; Regie: Thomas Brasch, mit Hilmar Thate und Katharina Thalbach) wirken in manchen Partien wie eine Reminiszenz an Walter Lassallys Free Cinema-Anfänge.

In den 1980er Jahren arbeitete Lassally außerdem für das amerikanische Fernsehen und unterrichtete gleichzeitig an der «National Film and Televison School» in Beaconsfield.

Heute lebt Walter Lassally in Griechenland – und zwar auf der Insel, wo er vor fast 40 Jahren Zorba the Greek drehte: auf Kreta.

The Way It Was: Paris Restaurants in the 1970s (2023)
Regie: Stephen K. Scher

Aci gonul (2001)
Regie: Ersin Pertan

Silent Film (1997, Short)
Regie: Malcolm Venville

Nature Perfected: The Story of the Garden (1995, TV Miniserie)
Regie:

Ta delfinakia tou Amvrakikou (1993)
Regie: Dinos Dimopoulos

Kein Engel auf Erden (1992, TV Film)
Regie: George Schaefer

Die Ballade vom traurigen Cafe (1991)
Regie: Simon Callow

Die Erbschaft (1991, TV Film)
Regie: Bertram von Boxberg

Diary of a Madman (1990)
Regie: Ronan O’Leary

Fragments of Isabella (1989)
Regie: Ronan O’Leary

The Deceivers (1988)
Regie: Nicholas Meyer

The Perfect Murder (1988)
Regie: Zafar Hai, M.R Shahjahan

Indian Summer (1987)
Regie: Timothy Forder

Après le vent des sables (1987)
Regie: Claude Zaccaï

Mrs. Delafield Wants to Marry (1986, TV Film)
Regie: George Schaefer

American Playhouse (1984-1986, TV Serie)
– Adventures of Huckleberry Finn (1986)
– Pudd’nhead Wilson (1984)
Regie: Peter H. Hunt, Alan Bridges

Stone Pillow (1985, TV Film)
Regie: George Schaefer

Children in the Crossfire (1984, TV Film)
Regie: George Schaefer

The Bostonians (1984)
Regie: James Ivory

The Case of Marcel Duchamp (1984)
Regie: David Rowan

Private School (1983)
Regie: Noel Black

Heat and Dust (1983)
Regie: James Ivory

The Mysterious Stranger (1982, TV Film)
Regie: Peter H. Hunt

Tuxedo Warrior (1982)
Regie: Andrew Sinclair

CBS Children’s Mystery Theatre (1981, TV Serie)
– Mystery at Fire Island (1981)
Regie: Robert Fuest

Memoirs of a Survivor (1981)
Regie: David Gladwell

Engel aus Eisen (1981)
Regie: Thomas Brasch

The Private History of a Campaign That Failed (1981, TV Film)
Regie: Perter H. Hunt

Great Performances (1980, TV Serie)
– Life on the Mississippi (1980)
Regie: Peter H. Hunt

The Blood of Hussain (1980)
Regie: Jamil Dehlavi

Gauguin the Savage (1980, TV Film)
Regie: Fielder Cook

Der Preis fürs Überleben (1980)
Regie: Hans Noever

The Commanding Sea (1980, TV Dokumentarfilmserie)
Regie:

The Pilot (1980)
Regie: Cliff Robertson

Something Short of Paradise (1979)
Regie: David Helpern

Too Far to Go (1979, TV Film)
Regie: Fielder Cook

In the Labyrinth (1979, Short)
Regie: James Ivory

The Great Bank Hoax (1978)
Regie: Joseph Jacoby

Die Frau gegenüber (1978)
Regie: Hans Noever

Hullabaloo Over Georgie and Bonnie’s Pictures (1978, TV Film)
Regie:

Fluchtversuch (1976)
Regie: Vojtech Jasný

Ansichten eines Clowns (1976)
Regie: Vojtech Jasný

Autobiography of a Princess (1975)
Regie: James Ivory

The Wild Party (1975)
Regie: James Ivory

Malachi’s Cove (1974)
Regie: Henry Herbert

Happy Mother’s Day, Love George (1973)
Regie: Darren McGavin

Visions of Eight (1973, Dokumentarfilm, Segment „Highest, The“)
Regie: Arthur Penn

Van der Valk und das Mädchen (1972, TV Film)
Regie: Peter Zadek

To Kill a Clown (1972)
Regie: George Bloomfield

Savages (1972)
Regie: James Ivory

Adventures of a Brown Man in Search of Civilization (1972, TV Dokumentarfilm)
Regie: James Ivory

Can Horses Sing? (1971, Dokumentarfilm, Short)
Regie: Elizabeth Sussex

Something for Everyone (1970)
Regie: Harold Prince

Twinky (1970)
Regie: Richard Donner

The Adding Machine (1969)
Regie: Jerome Epstein

Three Into Two Won’t Go (1969)
Regie: Peter Hall

Joanna (1968)
Regie: Michael Sarne

Oedipus the King (1968)
Regie: Philip Saville

About the White Bus (1968, Dokumentarfilm)
Regie: John Fletcher

Kataskopoi ston Saroniko (1968)
Regie: Gregg G. Tallas

The Day the Fish Came Out (1967)
Regie: Michael Cacoyannis

The Greeks (1967, TV Dokumentarfilm, Short)
Regie: Kate Campbell, Walter Lassally

Anoihti epistoli (1967)
Regie: Yiorgos Stamboulopoulos

The Peaches (1965, Short)
Regie: Michael Gill

Dan (1965, TV Film)
Regie: Kate Campbell, Walter Lassally

Alexis Zorbas (1964)
Regie: Michael Cacoyannis

Psyche 59 (1964)
Regie: Alexander Singer

Tom Jones (1963)
Regie: Tony Richardson

The Loneliness of the Long Distance Runner (1962)
Regie: Tony Richardson

Ilektra (1962/I)
Regie: Michael Cacoyannis

A Taste of Honey (1961)
Regie: Tony Richardson

I Aliki sto Naftiko (1961)
Regie: Alekos Sakellarios

I Liza kai i alli (1961)
Regie: Dinos Dimopoulos

Let My People Go (1961, Dokumentarfilm, Short)
Regie: John Krish

Madalena (1960)
Regie: Dinos Dimopoulos

Beat Girl (1960)
Regie: Edmond T. Gréville

Eroica (1960)
Regie: Michael Cacoyannis

Playhouse 90 (1959, TV Serie)
– Dark as the Night (1959)
Regie: Terence Young

Jago Hua Savera (1959)
Regie: A.J. Kardar

Refuge England (1959, Short)
Regie: Robert Vas

Britain’s Wealth from Coal (1959, Dokumentarfilm, Short)
Regie: J.B. Napier-Bell

British Art and Artists (1958, TV Dokumentarfilm)
– A Sculptor’s Landscape (1958)
Regie: John Read

To teleftaio psema (1958)
Regie: Michael Cacoyannis

We Are the Lambeth Boys (1958, Dokumentarfilm, Short)
Regie:

Every Day Except Christmas (1957, Dokumentarfilm, Short)
Regie: Lindsay Anderson

To koritsi me ta mavra (1956)
Regie: Michael Cacoyannis

Thursday’s Children (1955, Dokumentarfilm, Short)
Regie: Lindsay Anderson, Guy Brenton

Momma Don’t Allow (1955, Dokumentarfilm, Short)
Regie: Karel Reisz, Tony Richardson

A Hundred Thousand Children (1955, Short)
Regie: Lindsay Anderson

Henry (1955, Short)
Regie: Lindsay Anderson

Green and Pleasant Land (1955, Short)
Regie: Lindsay Anderson

Foot and Mouth (1955, Short)
Regie: Lindsay Anderson

The Children Upstairs (1955, Dokumentarfilm, Short)
Regie: Lindsay Anderson

Passing Stranger (1954)
Regie: John Arnold

Simon (1954, Short)
Regie: Peter Zadek

Another Sky (1954)
Regie: Gavin Lambert

Bow Bells (1953, Dokumentarfilm, Short)
Regie: Anthony Simmons

The Pleasure Garden (1953, Short)
Regie: James Broughton

Wakefield Express (1952, Dokumentarfilm, Short)
Regie: Lindsay Anderson

Three Installations (1952, Short)
Regie: Lindsay Anderson

Sunday by the Sea (1951, Dokumentarfilm, Short)
Regie: Anthony Simmons

Forward a Century (1951, Dokumentarfilm, Short)
Regie: J.B. Napier-Bell

Every Five Minutes (1951, Short)
Regie: Max Anderson

Smith, Our Friend (1946, Short)
Regie: Walter Lassally, Derek York

Alexis Sorbas – Academy Award (Oscar)
Hitze und Staub – Nominierung für den British Academy of Film and Television Arts (BAFTA) Film Award
Die Damen aus Boston – Nominierung für den British Society of Cinematographers (BSC) Award

Marburger Kamerapreis für herausragende Bildgestaltung im Film
American Society of Cinematographers (ASC) International Achievement Award für sein Lebenswerk

Mit der Verleihung des Marburger Kamerapreises 2005 ehrt die Jury das Lebenswerk eines international herausragenden und weltweit anerkannten Kameramanns. Für die Schwarz/Weiß-Fotografie des Films Zorba the Greek (deutscher Verleihtitel: Alexis Sorbas ) wurde Walter Lassally 1964 mit dem Oscar ausgezeichnet. Der Film ist längst zu einem Mythos geworden. Jeder Kinogänger kennt Alexis Sorbas , erinnert sich an die schier unerschöpfliche, aber auch komisch-wirklichkeitsfremde und anrührende Lebensenergie der Hauptfigur, die von Anthony Quinn mitreißend verkörpert wurde. Untrennbar ist dieser Film mit der Musik von Mikis Theodorakis verbunden, und der Tanz des Alexis Sorbas ist gewiß einer der meistgespielten Musiktitel aller Zeiten. Jeder hat ihn im Ohr und kann ihn nachsingen, aber kaum jemand macht sich bewußt, daß die Bilder der vitalen Lebensfreude aber auch der Gewalt, der Zerstörung und der Tragik die dem Film einen so außerordentlichen Erfolg bescherten, von dem Kameramann Walter Lassally gestaltet wurden.

Schon vor dieser Auszeichnung war Walter Lassally einer der wichtigsten Kameramänner des englischen Kinos. 1926 in Berlin geboren und 1939 mit seiner Familie aus Deutschland vertrieben, arbeitete sich Walter Lassally mit zäher Energie in den 1950er Jahren in England zum Chefkameramann hoch. Das war damals besonders mühsam, da es noch keine geregelten Ausbildungsgänge und erst recht keine Filmschulen gab.

Entscheidend für seine Konzeption des filmischen Bildes waren seine Anfänge als Kameramann im Industrie- und Dokumentarfilm. Zusammen mit dem Regisseur Lindsay Anderson drehte er aufsehenerregende Dokumentarfilme wie Thursday’s Children (1953), in dem taubstumme Kinder porträtiert wurden und Every Day Except Christmas (1956), der die harte Nachtarbeit in dem Londoner Großmarkt Covent Garden zeigte. Das intensive Sich-Einlassen auf Menschen und Schauplätze, das Walter Lassally hier erproben konnte, prägt dann auch seine ersten Arbeiten im Spielfilm, die man mit Fug und Recht als “semidokumentarisch” bezeichnen könnte. Walter Lassally gehört zu den Schlüsselfiguren des “Free Cinema”, einer Bewegung, die um 1960 das englische Kino revolutionierte und auf ganz Europa ausstrahlte. Junge Regisseure wie Lindsay Anderson und Tony Richardson wollten aus der Sterilität der Studioproduktionen und ihrem theaterhaften Gestus ausbrechen, suchten nach einem neuen und unmittelbaren Ausdruck, der auf die “Originalschauplätze”, auf die soziale Wirklichkeit ausgerichtet war. Walter Lassally war ebenso tief von diesen Impulsen durchdrungen, und seine dokumentarischen Erfahrungen prädestinierten ihn dazu, die Bildlichkeit dieses “neuen Realismus” zu gestalten. Walter Lassally wird zum maßgeblichen Kameramann des “Free Cinema”, dreht die herausragenden Filme dieser Reformbewegung: A Taste of Honey ( Bitterer Honig ; 1961) und The Loneliness of the Long Distance Runner ( Die Einsamkeit des Langstreckenläufers ; 1962). Mit unterschiedlichem Filmmaterial innerhalb eines Films erreicht er bis in die subtilen Grautöne hinein eine äußerste Differenzierung der Milieuzeichnung, erfaßt und durchdringt die Oberfläche der Realität und bringt die Schauplätze zum Sprechen. Seine Kamera kadriert die Schauspieler auf ganz neue und ungewohnte Weise, stellt mit überraschenden Perspektiven eine Nähe her, die zugleich verstört. Intensiv setzt er die Handkamera ein, die die Vitalität und Lebensenergie der Protagonisten in die Bilder überträgt und so die neugewonnene Ausdrucksfreiheit versinnlicht. Walter Lassallys schier unbändige Lust an der oft durch die Musik inspirierten Bewegung ist in diesen Filmen noch heute zu spüren. Schon in diesen frühen Meisterwerken des filmischen Realismus zeigt sich Walter Lassally als Virtuose des Lichts. Dabei bevorzugt er das natürliche, das vorgefundene Licht, beläßt ganz oft die Dunkelheit und die Dämmerung ohne sie mit spektakulären Lichteffekten aufzuhellen. Lange vor Stanley Kubrick experimentiert er in A Taste of Honey mit dem Kerzenlicht.

Walter Lassally ist aber nicht nur der bestimmende Kameramann der “kleinen”, revolutionären Filme des “Free Cinema”. In seiner Kooperation mit James Ivory (vor allem Heat and Dust ; 1982 und The Bostonians ; 1983) hat er bewiesen, daß er ebenso “großes Kino” mit bewegenden Bildern machen kann. Mit einer außerordentlichen Stilsicherheit beschwört er hier vergangene Welten, ohne in einen sterilen Historismus zu verfallen.

Walter Lassally hat sich selbst in seiner 1987 erschienenen Autobiographie als itinerant Cameraman bezeichnet, sieht sich selbst als Kameramann, der immer auf Reisen ist, der unablässig nach dem Neuen und dem Unbekannten forscht. Nichts kann sein Werk besser kennzeichnen. Von seiner Neugier, seinen Entdeckungen, von der bezwingenden Bildlichkeit seines sozialen Realismus profitieren Regisseure wie Mike Leigh oder Ken Loach bis heute.

Mit Walter Lassally würdigt der Marburger Kamerapreis 2005 einen der bedeutendsten Kameramänner des europäischen Kinos.